Seagull 4BI

Objektiv 2× HAIOU SA84 75/3.5, 3 oder 4 Linsen in 3 Gruppen (Je nach Glück)
Verschluss Zentralverschluss, Zeiten 1-1/300 Sek. und "B".
Belichtungs­messung ---
Fokussierung Mattscheibe mit Mikroprismenring und Schnittbildentfernungsmesser. 1 m bis unendlich.
Sucher Lichtschachtsucher mit Lupe und zusätzlichen aufklappbaren Sportsucher.
Blitz Blitzsynchronbuchse, Zubehörschuh.
Film­transport Drehknopf, aufklappbare Rückwand/Boden, rotes Fenster.
Maße ca. 76/145/100 mm.
Batterie ---

Ich habe diesen Artikel auf die lange Bank geschoben und jetzt, wo ich ihn schreibe, ist abzusehen, daß ich die Seagull nicht mehr viel benutzen werde, da ich mittlerweile schwach geworden bin und eine Yashica Mat 124G gekauft habe.

Um das Fazit vorwegzunehmen und dem Eindruck vorzubeugen, der möglicherweise durch diesen Einleitungssatz entsteht: Die Seagull ist eine sehr gut benutzbare Kamera und ein perfekter Einsteig ins Mittelformat für Leute, die noch nicht so genau wissen, ob dies etwas für sie ist und daher die Investitionen in Grenzen halten wollen.

Die Seagull hat alles, was zweiäugige Reflexkameras halt so haben: einen Drehknopf für die Entfernung, Blenden- und Zeithebel am Objektiv, einen Zentralverschluss, einen Auslöser und einen Aufzughebel, einen Lichtschacht mit Lupe und Sportsucher und natürlich zwei Objektive.

Sie hat auch einen Selbstauslöser.

Vor allem aber, und das hebt sie aus der Masse der erschwinglichen TLRs heraus, hat sie eine hervorragende, helle und knackscharfe Einstellscheibe mit Fresnellinse, Schnittbild und Mikroprismenring. Das auf dem Foto zu erahnende Gitterraster habe ich allerdings selbst hinzugefügt.

Eine vernünftige Einstellscheibe ist, wie ich finde, das A und O bei einem Lichtschachtsucher. Schließlich stellt dieser am Anfang doch erhebliche Anforderungen an den willigen Einsteiger: Das Bild ist seitenverkehrt, man muß beim Schwenken der Kamera immer umdenken, man weiß zuerst nie wie man sie drehen und schwenken soll, um den Horizont gerade und die Vertikalen vertikal zu bekommen etc.

Hier also die ersten Punkte für die Seagull.

Weitere Punkte kommen für das Objektiv hinzu: Die chinesischen Triplet- bzw. Tessar-Kopien mögen dem Hasselblad-Nutzer ein müdes Lächeln abringen, aber sie reichen auf jeden Fall für einen ausgeprägten AHA-Effekt beim Betrachten und Vergrößern der ersten Negative oder Dias, wenn man vorher nur Kleinbild gewöhnt war.

Im Klartext: Schärfe ist gut, Vignettierung zu vernachlässigen, Bildfeldwölbung zwar vorhanden, aber ab mittleren Entfernungen nicht mehr bedeutsam für die Anwendung. Abblenden auf mindestens f/5.6, besser f/8 sollte allerdings eine Selbstverständlichkeit sein.

Was gibt's zu meckern? Nun, die Bedienung ist halt recht archaisch, der Film­transport mittels Drehknopf bei ständiger Beobachtung des roten Fensters ist gewiß; nicht jedermanns Sache, und das Aufziehen des Verschlusses ist ein Arbeitsschritt, den man auch gerne vergißt. Aber diese Nachteile hat man such bei einer fünf- bis zehnmal so teuren Rolleicord, die dafür (meist) nicht so eine tolle Mattscheibe zu bieten hat.

Im Unterschied zur Rolleicord ist der Gesamteindruck von Verarbeitung und Qualität bei der Seagull allerdings - billig. Das, was die Autobauer heute "Qualitätsanmutung" nennen, dafür gab es in China damals offensichtlich kein Wort. Dem Freund satter Verschlussgeräusche und lautlos einklappender Lichtschächte kann ich zu dieser Kamera nicht raten.

Wenn man darüber hinwegsehen kann, und einfach nur eine gut funktionierende und gut benutzbare Kamera sucht: Kaufen!

Status März 2016: Verkauft.

camera

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